02.07.11 22:45 Alter: 9 yrs

[Kunstraum Akademie] 02. bis 11.09.2011: Formen informellen Forschens

Rubrik: Allgemeine News, Ausstellungen

 

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„Formen informellen Forschens“ ist das Leitthema der Sommerakademie im kunstraum muenchen, mit der wir eine neue Sicht auf das Wissen unserer Gesellschaft, dessen Aneignung, Anwendung und Verbreitung erproben möchten. Als öffentliche Institution ist es uns ein Anliegen, Wissen zu teilen; Teilen macht Spaß, und Spaß wiederum befreit und beflügelt das Experiment. Innerhalb der Akademie wollen wir das Forschen von seinem Wettbewerbscharakter befreien und ein Umfeld schaffen, in dem nicht Kanon, Hierarchie, Expansion und Leistungsdruck Wissen organisieren und festlegen.

Als alternative Formen des Forschens scheinen uns drei Fächer, die das Gerüst der Akademie bilden, geeignet: Musik Auflegen, Spazierengehen (Promenadologie) und Kochen. Als informelle Alltagspraktiken sind sie jedem geläufig. Dennoch unterliegen sie besonderen formalen Bedingungen, die erzeugt, kultiviert, ritualisiert, karikiert, unterlaufen und analysiert werden können. Der Zusammenhang zwischen Inhalt und (informeller) Form interessiert uns.

Für jedes der „Fächer“ konnten verschiedene Künstler/innen, Wissenschaftler/innen und Autor/innen als Dozent/innen gewonnen werden, die sich dadurch auszeichnen, dass sie nicht auf eine einzige Vermittlungs- und Forschungsmethode festzulegen sind.

Musik Auflegen

Mirko Hecktor und Andreas Neumeister nehmen „Musik Auflegen“ als Ausdruck politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen in den Blick: Andreas Neumeister widmet sich den „German Charts“, die als ein Spiegel der deutschen Geschichte gelesen werden können. Mirko Hecktor geht in einer Lecture-Performance der Historie des Plattenauflegens nach. Die informelle Praxis des Musikauflegens und Musikhörens sowie die spezifische soziokulturelle Form der Diskothek sind Thema der Auseinandersetzung.

Spazierengehen
Heike Ander/Volker Zander, Ayzit Bostan, Verena Hein und Jörg Koopmann setzen sich auf unterschiedliche Weise mit „Spazierengehen“ (Promenadologie) auseinander. Die Wissenschaft des Spazierengehens (Lucius Burckhardt) ist im Grenzbereich zwischen Urbanismus-Theorie, Stadtplanung und Soziologie angesiedelt. Mit „Dérive“ – dem Umherschweifen beschreibt Guy Debord verschiedene Techniken wie das Erforschen eines Geländes, die Psychogeografie oder das Konstruieren von zufälligen Situationen. Wie sich im Spaziergang unsere alltägliche Lebensumwelt erforschen lässt und Raum körperlich erfahren und erfasst werden kann, machen Heike Ander und Volker Zander in einem Spaziergang in Anlehnung an die Theorien Burckhardts durch den Nymphenburger Park deutlich. Über verschiedene künstlerische Strategien des Spazierengehens im Zusammenhang mit der Street Photography doziert Verena Hein. Jörg Koopmann und Ayzit Bostan nähern sich dem Stadtraum ausgehend von ihrer künstlerischen Arbeits- und Sichtweise an.

Kochen
Das Gastmahl ist eines der bekanntesten Bücher Platons: Bei einem Abendessen und einem Trinkgelage wird über den Eros philosophiert. Uns interessieren die verschiedenen formalen Rahmen, in denen Essen stattfinden können: Von der ungezwungenen Zusammenkunft im privaten Umfeld, die beim gemeinsamen Kochen die größtmöglichste Offenheit in einem Gespräch ermöglicht, über das Zusammenkommen in einem Café bis hin zur Cocktail-Party, die mit gewissen Dress-Codes und Smalltalk-Regeln verbunden ist, werden verschiedene Formen des Kochens und Essens von den Dozenten/innen Patrizia Dander, Martin Fengel/Emanuela Rocca und Julienne Lorz gemeinsam mit den Teilnehmern vorbereitet und erprobt.

Ein gemeinsamer Ausflug der Teilnehmer nach Nürnberg unterliegt als Tagesformat ebenfalls einer besonderen Dynamik und bietet die Möglichkeit, im Kunstverein und der Akademie der Bildenden Künste über den Zusammenhang von Architektur und artistic research sowie über selbst organisierte Akademien zu reflektieren.

An der Akademie nehmen zehn Teilnehmer/innen aus den Bereichen Bildende Kunst, Kunsttheorie und Stadtforschung teil. Die Abendvorträge sowie mehrere Film- und Vinyl-Lectures (in Kooperation mit der „Favorit Bar“) stehen als öffentliche Veranstaltungen jedem offen.

Konzipiert und organisiert von Gürsoy Dogtas, Martin Luce und Daniela Stöppel.

Mit freundlicher Unterstützung von:

 

Termine

  • Sa., 3. September, 20.30 Uhr, kunstraum muenchen:
    [Vortrag] Uli Aigner: Ghost Academy

  •  Di., 6. September, 20 Uhr, Favorit Bar:
    [Film Lecture] „Over the Rainbow – Gay Liberation zwischen den Stonewall Riots 1969 und dem Disco Demolition Derby 1979“, Video von Didi Neidhart

  • Do., 8. September, 20.30 Uhr, Favorit Bar:
    [Auflegen] Andreas Neumeister legt auf

  • So., 11. September, 20.30 Uhr, Favorit Bar:
    [Vinyl Lecture] Der Künstler und Historiker Kalle Laar über Vinyl Culture und Das Temporäre Klangmuseum

    Favorit Bar
    Damenstiftstraße 12
    80331 München


Biografien der Dozent/innen

Uli Aigner wurde in Gaming, Österreich geboren. Nach einem Studium an der Universität für Angewandte Kunst in Wien und einem Postgraduate Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg war sie von 2001–2003 Gastprofessorin an der Akademie der Bildenden Künste München. Dort initiierte sie die „Ghost Academy“, die aus den Arbeiten der beteiligten Kunststudenten/innen alternative Lehrinhalte und Fragestellungen kondensierte. Von 2006–2010 leitete sie die Städtische Kunsthalle München, Lothringer 13.

Heike Ander studierte Kulturwissenschaften und Ästhetische Praxis an der Universität Hildesheim. Sie arbeitet als Kuratorin an der Kunsthochschule für Medien Köln und betreibt dort u.a. den Ausstellungsraum Glasmoog (http://glasmoog.khm.de). Seit 2003 ist sie Mitglied im Vorstand/Kurator/innen-Team des kunstraum muenchen.

Ayzit Bostan ist Künstlerin und Modedesignerin. Sie entwirft Mode für Werbung, Theater und Film und beteiligte sich an zahlreichen Ausstellungen sowie Publikationen. Zudem produziert sie Kurzfilme. Ayzit Bostan führt ihr eigenes Atelier seit 2002 in München. Ausstellungsbeteiligung u. a.: „Not in fashion“ (MMK Museum für moderne Kunst, Frankfurt, 2010), „All you can see“ (MaximiliansForum, München, 2010), Dubai Düsseldorf (Kunstverein Düsseldorf, 2009), Doing Boundless“ (Platform 3, München, 2009).

Patrizia Dander hat in Eichstätt, Mailand und Bonn Psychologie studiert. Nach einem Volontariat am Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf wechselte sie 2007 als Assistenzkuratorin an das Haus der Kunst in München. Parallel führte sie in Düsseldorf den 2006 gemeinsam mit Akiko Bernhöft gegründeten Ausstellungsraum „white light“ fort. Seit 2010 ist sie am Haus der Kunst als Kuratorin tätig und hat dort u. a. die erstmalige Präsentation der Konzeptkunst-Sammlung von Herman und Nicole Daled betreut.

Martin Fengel lebt in seiner Geburtsstadt München. Er arbeitet in verschiedenen Disziplinen, so illustriert er für das „Zeit-Magazin“, fotografiert und schreibt für „Vice“, macht Videos für gomma records. Seine Bilder sind vertreten in den Sammlungen der Pinakothek der Moderne, des Lenbachhauses und des MMK Frankfurt. Seine Frau Emanuela Rocca betreibt das „E Caffè“.

Mirko Hecktor studierte an der Hochschule für Musik und Theater, München, und Angewandte Theaterwissenschaften an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Neben seinen Engagements für das Bayerische Staatsballett, La La La Human Steps in Montreal und dem Les Ballets de Monte-Carlo entwickelt er Clubnächte, Choreografien, Theaterproduktionen und Performances. 2001 bekam er den wichtigsten kanadischen Medienpreis, den Gemini Award, in der Kategorie „Best Performance in a Performing Arts Programm“. 2008 wurde sein Buch „Mjunik Disco“ in der Gruppenausstellung „Made in Munich. Editionen von 1968–2008“ im Haus der Kunst in München ausgestellt. Seit Anfang der 90er-Jahre ist er außerdem als DJ tätig. Seine Debüt-EP „Chicago 77“ erschien 2009 auf Don’t Stop Recordings.

Verena Hein ist Kunsthistorikerin und kuratiert und koordiniert seit 2001 Ausstellungen im Museum Villa Stuck. Darunter auch: „Street Life & Home Stories. Fotografien aus der Sammlung Goetz“ (2011), „RICOCHET #4. Ahmet Öğüt“ (2010), „Gerwald Rockenschaub. Promise vs. Reality“ (2009) sowie „True Romance. Allegorien der Liebe von der Renaissance bis heute“ (2009). Ihre Dissertation wird sich mit Werner Heldt (1904–1954) beschäftigen.

Jörg Koopman ist gebürtiger Münchner und absolvierte 1990–1993 seine Ausbildung an der Staatlichen Fachakademie für Fotodesign in München. Veröffentlichungen u. a. in „Zeit-Magazin“, „jetzt“ und „SZ-Magazin“, „Wallpaper + Line“ sowie „Spex“. 1997 Gründung des Foto-Forums „glossy“ mit Marek Vogel. Er war an zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland beteiligt.

Kalle Laar lebt und arbeitet in München und Wien. Er bewegt sich zwischen den Sphären von Kunst, Wissenschaft und Musik. Nicht nur als DJ und Musiker. Als Künstler hat er zahlreiche (Klang-)Installationen und Hörspiele verwirklicht und schon den Sound sterbender Gletscher erlebbar gemacht. Als gelernter Historiker und Sammler widmet er sich mit Vorliebe der Vinyl-Kultur als Quelle der Geschichtsschreibung. Langzeitprojekte wie Das Temporäre Klangmuseum verbinden Forschung und Unterhaltung auf performative Weise.

Julienne Lorz lenkte, nach einer Karriere als Choreografin und Tänzerin im Modernen Tanz in England, ihre berufliche Laufbahn in Richtung zeitgenössischer Kunst. 2004 schloss sie ihren MA in Curating Contemporary Art am Royal College of Art in London ab und kam im Anschluss nach München, um im Kunstverein unter Maria Lind zu arbeiten. Anfang 2005 begann sie als Assistenzkuratorin am Haus der Kunst und war an Ausstellungen von Paul McCarthy, Allan Kaprow, Gilbert & George und Ai Weiwei beteiligt. Seit Januar 2010 ist sie dort als Kuratorin tätig.

Didi Neidhart, Allrounder aus Salzburg, ist ständig unterwegs in Sachen Pop-Kultur: u. a. als Journalist und Chefredakteur des Musikmagazins „skug“, als DJ und Musiker (dis*ka) und als Dozent zu Themen aus Pop, Kunst und Kino.

Andreas Neumeister lebt in München und veröffentlichte bei Suhrkamp zuletzt die Bücher „Könnte Köln sein“, „Angela Davis löscht ihre Website“ und „Gut laut“. Verschiedene Ausstellungen zur Visualisierung von Schrift und Text/Subtext der Medien, zuletzt in Prag (tranzit display), Bratislava (tranzit) und New York (ludlow 38). 2010 entstand in Zusammenarbeit mit Lali Puna das Hörstück „MYA – über die Zukunft des Kapitalismus war alles bekannt“ (BR).

Volker Zander wohnt in München und Köln, ist freier Komponist und Musiker und betreibt das Schallplattenlabel „Apparent Extent“ (www.apparent-extent.com). Studium der Stadtplanung in Kassel, u. a. Projekte und Seminare bei Prof. Lucius Burckhardt.